Weihnachten 2015

Ernte-Dank im Katzengarten

Lustiges aus dem Lüttenglehner Katzengarten von Kater Siegfried und seinen Freunden und Edith Reinhilde Raky


Ernte-Dank im Katzengarten

Paul war ein echter Bauernkater. Er liebte das Land, die Bäume, die bunten Felder, die Gerüche gerade jetzt zur Erntezeit. Er liebte es, den Blick schweifen zu lassen über seine Wiesen und Äcker. Der Duft von goldenem Mais, frischen Kartoffeln, den Zwiebeln, die noch im Boden steckten, stieg ihm in die Nase. Paul saß auf dem großen rostigen Traktor und genoß den kühlen klaren Morgen. Der Herbst mit seiner Farbenpracht war seine Lieblingsjahreszeit, wenn der Wind die bunten Blätter von den Bäumen blies und die roten Äpfel herabfielen. Und all die Kastanien in ihren Stachelmänteln! Da galt es aufzupassen, daß man nicht drauf trat und daß einem die pieksigen Kerle nicht auf den Kopf krachten. Paul lachte. Der Herbst ist wunderschön, dachte er. Eigentlich müßte es immer Herbst sein.

Siegfried, sein allerbester Katzenfreund schlenderte den Weg entlang. Er lebte mit seinen Geschwistern im Katzengarten und kam täglich, wenn es seine Zeit erlaubte zum Katzenschwatz herüber. Bei schönem Wetter saß man auf dem großen Holzstapel hinter dem Haus und erzählte sich die eine oder andere Neuigkeit aus der Dorf-gemeinschaft. Auch wenn das Dorf recht klein war so lebten doch viele Tiere hier und es gab immer etwas zu berichten.

Hallo Paul, was macht die Kunst?“ Siegfried winkte seinem Freund fröhlich entgegen. „Ein schöner Tag heute. Die Sonne lacht. Es riecht so lecker nach frischen Kartoffeln. Und Mäusen! Hast du schon welche gesehen?“

Nein! Noch nicht! Ist noch zu früh für Mäuse. Die schlafen alle noch!“

Siegfried sprang zu Paul auf den Traktor. „Tolle Aussicht hier oben! Man müßte mit diesem Ding über die Felder fahren können. Was meinst du?!“

Kann ich!“

Wie, echt?“

Ja, mit Theo, dem Bauern! Ich sitze am Lenkrad und Theo gibt Gas,“ grinste Paul.

Angeber! Du schwindelst! Du bist doch viel zu klein dafür! Und Katzen können sowieso nicht Traktor fahren!“

Beide Kater lachten aus vollem Halse. Paul streckte sich. „Man müßte ein Fest machen. Ein Herbstfest. Mit leckerem Essen, Geschenken und all unseren Freunden. So wie die Menschen das machen, wenn sie die gute Ernte feiern. Was hältst du davon?“

Tolle Idee!“ Siegfried war begeistert. „Wir machen ein Ernte-Dank-Fest. Au ja! Aber was können wir denn ernten?“ meinte er nachdenklich.

Die beiden Kater schauten sich fragend an. Irgend etwas mußten sie ernten, sonst hätten sie ja keinen Grund, ein Fest zu feiern! Die Blätter etwa, die von den Bäumen geweht wurden? Nein! Die Äpfel, die herunter fielen, die Kastanien? Nein!

Ich hab’s,“ rief Siegfried, „Mäuse! Davon gibt es hier genug! Die können wir fangen und essen!“

Mäuse? Ist doch langweilig, haben wir jeden Tag.“ Paul blickte über die Felder. Plötzlich strahlte er. Er hatte eine Idee. Kartoffeln sollten Sie ernten, so wie die Menschen das taten. Über die Kartoffelhügel müßten sie klettern und die Früchte ausbuddeln.

Und Mäuse!“ Siegfried spreizte seine Krallen. Sie waren blankgeputzt und glänzten in der Sonne. „Meinst du wirklich Kartoffeln? Ausbuddeln? Deine Idee ist ja ganz charmant. Aber sag mal ehrlich, was machen wir dann mit den Kartoffeln?“

Nun, uns wird schon was einfallen.“ sagte Paul aufmunternd.

Aber mit Mäusen!“ beharrte Siegfried.

Wem wird was einfallen? Haben wir was verpaßt?“ Pünktchen und Streifchen kamen gerade den Weg entlang gehüpft und schwatzten fröhlich miteinander.

Hallo Bruderherz“, rief Pünktchen Siegfried zu, „willst du die Ernte einfahren mit dem großen Traktor?“

Sie kicherte vergnüglich.

Wie, woher weißt du?“

Was? Was meinst du? Ich weiß von nichts!“

Wie üblich! Pünktchen weiß nie was!“ Streifchen lachte den beiden Katern entgegen und sprang zu ihnen auf den Traktor.

Was gibt’s, Jungs,“ sagte die kleine Katze, „was habt ihr beiden vor?“

Paul erzählte von ihrem Plan, ein Ernte-Dank-Fest zu feiern, mit Kartoffeln, die man ernten wollte. Was man allerdings dann damit anfangen könnte, wußte man noch nicht so genau.

Kartoffelbrei,“ rief Pünktchen aufgeregt, „lecker!“

Ganz schön clever, deine Schwester.“ Paul stieß einen Pfiff aus und warf Pünktchen einen bewundernden Blick zu.

Nun ja, meine Familie,“ meinte Siegfried, „aber jetzt mal im Ernst Leute! Wie gehen wir vor, was machen wir zuerst und wie soll das mit dem Kartoffelbrei funktionieren? Das muß ganz genau geplant werden!“

Die Katzen sprangen vom Traktor und liefen zum Holzstapel. Dort steckten sie ihre Köpfe zusammen und besprachen, was jetzt alles zu tun war. Wer sollte die Kartoffeln ausgraben? Und wie konnte man sie nach Hause bringen? Erntehelfer mußten her. Und das Schwierigste war: WER sollte den Kartoffelbrei machen?

Vom großen Apfelbaum neben dem Holzstapel seilte sich Ludmilla, die Spinne ab. „Hi Leute,“ rief sie, „guten Morgen und wie geht’s denn immer so?“

Die Katzen hielten nicht sehr viel von Ludmilla, man hatte nichts gegen sie persönlich, suchte aber auch nicht unbedingt ihre Nähe. Ihre Netze störten, überall waren sie im Wege. Quer durch den ganzen Garten waren klebrige Fäden gespannt und immer blieb man mit den Schnurrhaaren, den ihren oder der Pfote darin hängen. Eklig, meinten die Katzen.

Ich hab’s!“ Ludmilla hatte Siegfried auf eine Idee gebracht.

Sag mal, Ludmilla, kannst du ein Netz weben, daß auch richtig was aushält? Das stark genug ist, um was darin zu tragen?“

Hmm,“ sagte Ludmilla nachdenklich und ließ sich an ihrem Faden vorsichtig auf den Holzstapel nieder, „sicher wenn ich mich mit meinen Kolleginnen zusammen tue, dann können wir glatt ein Netz spinnen, das groß genug ist um dich darin einzupacken, fort zutragen und zu ..!“

Wag‘ es gar nicht erst, an sowas auch nur zu denken,“ Siegfried schauderte. Er schüttelte sich kräftig.

Siegfried, du bist ja genial,“ rief Paul. „Ludmilla und ihre Verwandten spinnen ein Netz und wir transportieren die Kartoffeln darin. Einfach toll!“

Ludmilla wußte nicht, worum es ging. Es interessierte sie aber auch nicht sonderlich. „Faden los“, rief sie und verschwand im Holzstapel.

Das Problem des Transportes war nun geklärt. Ludmilla würde man schon zur Mitarbeit bewegen können. Aber wer sollte die Kartoffeln ausbuddeln?Auf der Wiese im Garten türmte sich plötzlich ein Erdhaufen auf. „Ein Maulwurf,“ rief Paul „ich hab’s! Wir engagieren Maulwürfe, die können uns die Kartoffeln ausbuddeln! Seht ihr Leute, so regelt sich alles von selbst! Man muß nur die Augen aufhalten!“

Auf Willi, den kleinen Maulwurf konnte man immer zählen, das wußten die Katzen. Er versprach, sich mit seinen Maulwurfkumpels zusammenzutun. Nur die kleinen, besonders leckeren Kartöffelchen wollten sie auszubuddeln. Schließlich kannten sich die Maulwürfe aus und wußten genau, welche Kartoffeln am besten schmeckten. Beim Festmahl sollten sie dafür eine extra große Portion Kartoffelbrei auf einem beleuchteten Teller bekommen. Ausserdem versprachen die Katzen, zukünftig um die Maulwurfshügel einen großen Bogen zu machen und sie nicht mehr als Katzentoilette zu benutzen.

Schade“, meinte Pünktchen. Sie liebte diese lockeren Erdhäufchen.

Man kann nicht alles haben. Gute Geschäfte leben schließlich von Gegenseitigkeit,“ stellte Paul klar. „So, die Erntehelfer haben wir und das Logistikproblem ist gelöst.“ Paul war eben ein kluger Bauernkater und die Katzen bewunderten seinen Sinn für’s Praktische.

Doch eines war immer noch nicht geklärt: Wer kocht den Kartoffelbrei?

Die Katzen beratschlagten noch eine Weile, aber eine Lösung konnte man an diesem schönen Morgen nicht finden. „Tja, das ist ein Problem, das gelöst werden muß.“ Paul sprang vom Holzstapel und verabschiedete sich. „Tschüs Leute, ich muß los. Tut mir leid, hab noch was vor. Bis morgen, macht’s gut!“

Der geht bestimmt auf Mäusejagd,“ meinte Siegfried. „Ich geh dann auch mal. Macht euch ein paar Gedanken, Mädels. Wir sehen uns!“ Und mit einem kräftigen Katzensprung war auch Siegfried im Garten verschwunden.

Die beiden Schwestern schauten einander an. „Typisch Kater,“ meinte Streifchen. „Erst die große Klappe und dann drücken sie sich vor der Arbeit. Und jetzt können wir sehen, wie wir den Kartoffelbrei gekocht kriegen. Hast du schon mal eine Katze gesehen, die kochen kann? Ich nicht! Da müssen wir uns was einfallen lassen! Komm!“ Die beiden Katzendamen verschwanden hinter dem großen Hortensienbusch.

Am nächsten Morgen regnete es in Strömen. Die Katzen saßen auf der Terrasse und langweilten sich. „Nichts kann man machen bei dem Wetter. Keine Mäuse fangen, Vögel ärgern. Nichts!“ Siegfried wusch gedankenverloren seine Ohren. Linda gesellte sich zu ihm. „Hallo Siegfried! Was gibt’s? Glücklich siehst du nicht aus. Weißt du heute nichts mit dir anzufangen?“

Nein, ich denke nach.“ Er erzählte Linda von dem großen Kartoffelbrei-fest, das man im Katzengarten veranstalten wollte und daß fast alles geklärt war. Wer die Kartoffeln ausgräbt und wie man sie nach Hause bringt. Nur wer den Kartoffelbrei kocht, das wußte man noch nicht. Das war etwas, das Katzen nun mal nicht konnten. Und daran sollte jetzt alles scheitern, an diesem blöden Kartoffelbreikochen?

Hmmm,“ meinte Linda. „Das ist in der Tat eine schwierige Sache. Ich kann es auch nicht.“

Was?“

Kartoffelbrei kochen!“

Beide Katzen setzten sich auf den Terrassentisch, gruben ihre Köpfe in die Pfoten und grübelten.

Ich hab die Rauchwolken über euren Köpfen gesehen,“ lachte Streifchen, „kann ich behilflich sein beim Denken?“

Ja. Hast du dir schon überlegt, wie wir das mit dem Kartoffelbrei anstellen?“ „Nein. Ich hab keine Ahnung. Hab Paul eben getroffen, der ist auch ratlos.“

Ich, ich weiß es! Ich hab’s.“ Linda sprang auf. „Wir hängen das Netz mit den Kartoffeln an die Türe, dann schreiben wir einen Brief an unsere Menschen und bitten sie, den Brei für unser Fest zu kochen. Ganz einfach!“

Wow, super! Linda, du hast aber auch immer tolle Ideen. Das ist es doch. Die Menschen machen das bestimmt für uns!“

Gesagt, getan! Siegfried lief hinaus zu Paul, Streifchen informierte die Maulwürfe, dann ihren Cousin Pluto und der sprach mit Ludmilla. Linda kümmerte sich um den Brief:

Liebe Menschen,

auch wir Katzen haben die Ernte eingefahren, so wie Theo der Bauer das immer macht. Mit unseren Freunden haben wir Kartoffeln geerntet und möchten jetzt gerne ein Fest feiern. Ein Ernte-Dank-Fest. Das haben wir schon oft bei euch Menschen gesehen. Könnt ihr bitte Kartoffelbrei für uns kochen! Aber mit ganz viel Milch. Danke.

Eure Katzen

P.s. Wir kümmern uns auch weiter gerne um die Mäuse…

Am Abend war alles erledigt. Siegfried schleppte das Netz, das Ludmilla mit ihren Kolleginnen gewoben hatte, voll gestopft mit frisch geernteten, ganz kleinen, besonders schmackhaften Kartoffeln herbei. „Schau“, meinte er, „die Maulwürfe haben wirklich gute Arbeit geleistet und nur die delikatesten Kartöffelchen ausgesucht“. Linda steckte den Brief, der in allerfeinster Katzenschrift verfaßt war, ins Netz und jetzt hieß es abwarten.

Als die Sonne am nächsten Morgen aufging, trafen sich die Freunde wie gewohnt zum Frühstück im Katzengarten. Alle waren gut gelaunt. Ob die Menschen wohl Lindas Brief gelesen hatten?

Ooch, seufzte Streifchen, „wenn ich an den Kartoffelbrei denke, läuft mir das Wasser im Mund zusammen.“

Alle rannten voller Erwartung auf die Terrasse und siehe da:

eine große Schüssel mit dampfendem Kartoffelbrei und da-neben ein Teller mit köstlich frischem Katzenfutter standen für sie bereit.

Juchuhh“ maunzten die Katzen! „Schaut, jetzt können wir feiern. Ludmilla, Paul, setzt euch an den Tisch, ich rufe die Maulwürfe und dann kann unser Ernte-Dank-Fest beginnen“, rief Siegfried fröhlich seinen Freunden zu.

Kommt Leute! An die Schüsseln, aber verbrennt euch nicht die Mäulchen!“ quiekte Streifchen und

griff als erste zum Löffel.

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