Weihnachten 2024

Die Wunschzettelaktion

Heiteres und Beschauliches

aus dem Katzengarten

zu Weihnachten 2024

von Edith Reinhilde Raky

Die Wunschzettelaktion

Kater Siegfried saß am Schreibtisch seines Wolken-detektivbüros und dachte nach. Ja, es gab immer und überall Bedarf für ein Detektivbüro, selbst hier oben bei den Engeln in Engelhausen. Man sollte es nicht für möglich halten, denn Engel werden immer für liebenswert, sanftmütig und unfehlbar, eben engelhaft gehalten. Doch auch sie sind nur Engel und haben ihre kleinen und großen Eigenarten und Problemchen. Es verschwindet schon mal etwas, eine Brille oder ein Wolkentaschentuch. Auch die eine oder andere nicht gerade englehafte Reaktion kann es geben hier oben. Gerade neulich gab es einen Fall, bei dem ein recht unkontrollierter Flügelschlag für Aufregung sorgte, nachdem ein Engel sich in seiner Engelehre gekränkt fühlte. Siegfried konnte dank seiner ausserordentlichen Katzen-diplomatie die Angelegenheit rasch zur beiderseitigen Zufriedenheit klären.

Doch diesmal schien es schwieriger zu sein. Engel Jonathan hatte um einen kurzfristigen Termin gebeten. „Guten Tag Siegfried,“ seine Stimme war zittrig. “Ich brauche deine Hilfe,“ flüsterte er. Mit Tränen in den Augen zog er sein Wolkentaschentuch aus dem Ärmel seines Engelsgewandes. „Ach Siegfried, ich bin ausser mir! Ich bin wirklich untröstlich!“

„Nun setzt dich erst mal hier auf das Wolkenkissen und trinke einen heißen Wolkenpusch, der beruhigt die Nerven.“

Der Engel tupfte seinen Tränen von der Wange. Er schnäuzte seine Nase, nahm einen tiefen Schluck des köstlichen Getränks und berichtete was geschehen war.

„Siegfried, stell dir vor, Engel Berthold unser Store Manager im Wolken Outlet hatte seine Brille nicht ordentlich geputzt und war mit dem Gabelstapler gegen einen Wolkenpfeiler gefahren. Der Sack mit den Wunschzetteln, der auf dem Gabelstapler stand fiel herunter. Und nicht nur das. Er kullerte auf die Wolkenstrasse und hupps über die Leitplanke und tief hinunter in den Katzengarten. “

Jonathan seufzte tief „Und was nun?“ Wieder kullerte eine dicke Träne über seine Wange. „Ich bin doch verantwortlich für die gesamte Organisation der Wunschzettel mit all den Weihnachtsgeschenken! Und meine neuen Flügel kann ich jetzt auch abschreiben. Du weißt doch, die alten sind abgenutzt und haben Löcher.“

„Tja“ sagte Siegfried „das ist in der Tat eine Katastrophe mittlerer Größenordnung für dich. Dein Image wäre hin. Und sowas hier in Engelhausen! Das geht gar nicht! Aber schließlich ist noch nichts verloren, es ist noch genügend Zeit bis Weihnachten. Flieg hinunter in den Katzengarten, hol den Sack wieder rauf.“

„Wie stellst du dir das vor, Siegfried. Du weißt doch, meine alten Flügel sind kaputt, haben Löcher. Da komm ich nie heil unten an und ausserdem kenne ich da keinen der mir helfen könnte, all die Wunschzettel wieder einzusammeln. Könntest du dich nicht vielleicht mal mit Mine, dort unten im Katzengarten in Verbindung setzen?“

„Klar doch, und wie stellst du dir das vor? Du meinst auch, ich trommele ihr die Nachricht mal eben so einfach mir nichts dir nichts auf dem Wolkenpad runter. Du weisst doch genau, wie schlecht es hier oben mit dem WLAN bestellt ist.“

„Stimmt. Und jetzt?“

Ratlosigkeit durchzog das Wolkenbüro.

„Ich habs. Wir schicken Henriette, die Schutzengelin der Katzen. Die hat gerade frische Flügel bekommen und war auch schon mal unten im Katzengarten. Ich denke, wenn sie Mine den Fall erklärt, kann sie sicher auf ihre Hilfe zählen. Mine ist eine nette Katze. Sie hat ein gutes Herz und wird sicherlich helfen. Ich könnte Henriette ja auch ein Empfehlungsschreiben mitgeben.“

„Boahh.. Siegfried, genial! Das ist die Idee. Ich rede sofort mal mit ihr.“ Jonatan raffte sein Engelgewand und schwand hinaus.

Mine saß auf einem großen Stein am Teich unten im Katzengarten und zählte die Fische. Das machte sie jeden Tag. Denn für die Goldfische war das Leben hier im Winter recht gefährlich. Karl-Wilhelm der Reiher flog jeden Morgen seine Runde über den Katzengarten und hielt den Teich – Mines Teich – für einen ausserordentlichen Fischmarkt. Er hatte einen gesegneten Appetit und jedesmal wenn er zur Landung ansetzte, mußte Mine einen Platzverweis aussprechen und jedesmal nahm sie sich vor, Karl-Wilhelm ein paar Federn auszureissen, damit er gar nicht mehr auf die Idee kam hier zu landen und sich einen anderen Frühstückstisch suchte .

„Hallo Mine, hier oben, hier oben bin ich.“ Mine schaute die große Tanne hinauf und traute ihren Augen nicht. Dort oben saß etwas mit goldenen Flügen im weißen Gewand. Eine seltsame Katze, dachte sie oder vielleicht ein Vogel, den sie noch nie gesehen hatte.

„Kannst du mir vielleicht mal kurz helfen und mich losmachen ich hänge fest. Mein Flügel hat sich irgendwie hier oben in einem Ast verfangen.“

Mine kletterte in windeseile den Baum hinauf und löste den eingeklemmten Flügel.

„Danke. Übrigens ich bin Henriette euer Schutzengel“

Upps, Mine lachte, Schutzengel ist gut.

„Tja in der Regel, Katzenschutzengel bin ich hauptberuflich. Doch manchmal braucht auch Schutzengel sowas wie einen Schutzengel so wie gerade eben .“ Beide lachten laut.

Henriette strich über ihr Engelgewand, zupfte ihre Flügel zu recht und erzählte von den Problemen in Engelhausen. Von Bertholds Mißgeschick mit dem Gabelstapler, von dem armen Jonathan, der nun um seine neuen Flügel bangte weil der Sack mit den Wunschzetteln weggeflogen war und von Siegfrieds Detektivbüro und seinem Plan, das Ganze mit Hilfe der Katzen im Katzengarten wieder in Ordnung zu bringen.

„Tja, und deshalb brauche ich deine Hilfe.“

„Gut, und wie soll das gehen?“ fragte Mine. „Soll ich den Sack für dich suchen? Ja, und wenn der kaputt ist und die ganzen Wunschzettel durcheinander geflogen oder sogar weggeflogen sind? Das schaffe ich nicht allein. Sorry, tut mir leid.“

„Du hast doch sicher Freunde hier im Katzengarten, Siegfried sagte, alle Tiere hier halten zusammen und helfen einander.“

„Schon möglich, aber ich wohne noch nicht so lange hier und kenne auch nur ein paarTiere. Die Nachbarkatzen vielleicht oder Karl-Wilhelm den Reiher – aber mit dem steh ich gerade ein wenig auf Kriegsfuß. Ich frag mal Pumuckel, das Eichhörnchen. Pumuckel hat eine große Familie. Vielleicht wissen die Rat.“

Gesagt, getan. Mine lief los, um mit den Tieren im Katzengarten zu sprechen. Henriette setzte sich derweil auf einen Holzstapel, holte ihr Wolkensandwisch, das sie sich als Wegzehrung mitgebracht hatte aus dem weiten Ärmel ihres Gewandes und ruhte sich aus. Der Flug war recht anstrengend gewesen und Henriette war müde, sehr müde sogar.

In der Zwischenzeit hatte Mine die Nachbarschatshilfe organisiert. Es war unglaublich. Mine war erstaunt, wie freundlich und hilfsbereit die Tiere hier im Katzengarten waren. Alle hielten zusammen und waren für einander da. Und klar, alle wollten Henriette helfen, die Wunschzettel zu finden, damit sie zurück gebracht werden konnten. Alle wussten, wie wichtig ihr Job war, jetzt so kurz vor Weihnachten.

Am nächste Morgen lachte die Sonne. Es war kalt, sehr kalt. Henriette streckte sich und schüttelte ihre Flügel, die ganz klamm waren vom Tau. Sie hatte herrlich geschlafen und geträumt. Geträumt, daß Katzen, Eichhörnchen, Igel und Vögel durch den Garten wuselten, Wunschzettel von Ästen und Zweigen zupften und in einen großen Sack packten. Ach, was ein schöner Traum, dachte Henriette und kletterte herab von ihrem Holzstapel. Vor ihr – sie traute ihren Augen nicht – stand der große Sack mit den Wunschzetteln. Sogar ein Riss im Sack war kunstvoll gestopft. Auch Riemen waren an den Sack genäht, Riemen wie die an einem Rucksack. „Ich träume wohl noch!“ Henriette kniff sich in die Wangen und zupfte an ihren Flügeln .

„Nein, du träumst nicht!“ Mine und ihre Freunde standen vor ihr mit einem herrlichen Frühstück, heiße Katzenmilch und ein leckeres Sandwich.

„Wir haben die ganze Nacht gesucht, gezupft, Wunschzettel glatt gestrichen und eingepackt. Es hat uns Freude gemacht, dir zu helfen. Komm, wir schnallen dir den Wunschzettelrucksack auf den Rücken zwischen deine Flügel, damit du rasch losfliegen kannst, um all die Weihnachtsgeschenke zu organisieren.“

Henriette biss in ihr Sandwich, nahm einen Schluck der heißen Katzenmilch. „Ich muß mich beeilen, die Engel in Engelhausen warten auf mich. Herzlichen Dank ihr lieben Tiere für euren großen Einsatz hier. Ich werde in Zukunft besonders gut auf euch alle aufpassen“ sagte sie und schwang sich in die Lüfte.

„Siegfried, Siegfried…. Engel Janathan stürmte in das Büro, daß sein Engelgewand nur so rauschte. Stell dir vor, alles hat geklappt – so wie du es geplant hast. Die Wunschzettel sind wieder da!“ Er drückte Siegfried einen dicken Engelkuss auf die Wange und rauschte so schnell wie er gekommen war wieder hinaus.

Siegfried schüttelte seinen Kopf und lachte.

Und was ist jetzt mit meinem Honorar??????

Fröhliche Weihanchten…

© edition catpress 2024

Nachdruck und Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Verfassers


 
 
 

Kommentar abgeben: